Wallfahrtskapelle eingeweiht - historischer Rückblick auf das Jahr 1508
verfaßt Ende 2007
Irgendwann kurz vor 1500 ist von einem Magister und Baccalaureus Stephan Lipsdorf (Lubstorff) eine Kapelle im Weichbild der Stadt gestiftet worden, die zu einer Wallfahrtsstätte werden sollte. Das St. Jerusalem genannte Gotteshaus stand auf den Fuchsbergen. In den alten Urkunden ist sie „vor dem Zinnaer Tor“ beschrieben. Noch heute erinnert der Jüterboger Straßenname Kapellenberg an dessen Geschichte.
Lipsdorf widmete den Altar in der Jerusalem-Kapelle zu Ehren der Heiligen Anna wie auch zu Ehren des Heiligen Kreuzes. Für den Altar bzw. den ihm zugeordneten Priester hatte er eine Stiftung von 50 rheinischen Gulden als Grundausstattung gemacht, die mit 2 ½ Gulden jährlich verzinst wurden. Dazu kommen ein Gulden von einer Witwe namens Gadegast, ein Gulden von Jakob Iden, ein halber Gulden von Balzer Smede (Schmidt?), 2 ½ Gulden Zins von Simon Rietdorf auf ein Kapital von 50 rhein. Gulden, sowie den jährlichen Zins von 5 Gulden auf weitere 100 Gulden, die der Stifter von Balthasar Günther geerbt und an Lorenz Schliebener zu Lübeck verliehen hatte.
Aus dem Jahr 1500 existiert eine päpstliche Bulle, in der die römischen Kardinäle Julian von Ostia, Johannes von Porto und weitere Kollegen einen Ablaß der Sünden über 100 Tage gewähren, wenn Gläubige am Sonntag Judica, an den Dienstagen vor und nach Ostern und Pfingsten und an dem Dienstag nach Weihnachten die Kapelle besuchen und dort Opfer geben. Die Einnahmen davon sind für die Reparatur von Bauschäden an dem Haus sowie für die Anschaffung von Kirchengeräten bestimmt. Die Förderung durch die Kirchenoberen und besondere Gläubigkeit in dieser Zeit tragen dazu bei, daß die Kapelle von Volk recht gut besucht wurde.
Der Magister Stephan Lipsdorf, Stifter der Jerusalemkapelle, offensichtlich ein sehr frommer Mann, entschied sich für eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela, einem der bedeutendsten Heiligtümern des mittelalterlichen Abendlandes. Doch das Vorhaben hat wohl unter keinem guten Stern gestanden, denn 1507 ist er auf dem Weg nach dem bekannten spanischen Wallfahrtsort ertrunken.
Im Folgejahr, am 22. August („dinstag nach assumptionis Marie“) 1508, erlauben die Äbtissin Christina Ehrhardt und der Konvent des Jungfrauenklosters zum Heiligen Kreuz vor der Stadt Jüterbog, womit das Zisterzienserinnenkloster auf dem Damm gemeint ist, ein zweites Vikariat für den Altar der Kapelle. Dem bisherigen Altaristen Ambrosius Drawe (auch Grawe geschrieben) wird damit erlaubt, Valentin Krüger (Crüger) als Vikar, als stellvertretenden Pfarrer einzustellen. Außerdem verfügen die Klosterfrauen, daß das Patronatsrecht für die Kapelle an den Rat der Stadt Jüterbog übergeht.
Rund vierzehn Tage später, am 6. September 1508 („Mitwoche nach dem achten tage Sancti Augustini“), wenden sich Abrosius Drawe und Valentin Krüger als Testamentsvollstrecker des ertrunkenen Stifters Lipsdorf an den Brandenburger Bischof, der zu der Zeit in der Burg Ziesar residiert. Der offensichtlich recht wohlhabende Verstorbene hatte nochmals 100 Gulden für die von ihm initiierte Jüterboger Wallfahrtskapelle testamentarisch hinterlassen. Als Treuhänder ist der Amtmann Benedict Frödemann eingesetzt und hat von dem Vermögen jährlich 5 Gulden Zins beizubringen. Außerdem ist bestimmt, daß durch den Priester in der Kapelle wöchentlich drei Messen zu lesen sind. All das, wie auch die Verfügung, daß der Jüterboger Rat das Patronatsrecht übernehmen soll, ist dem Bischof Hieronymus zur Genehmigung vorgelegt worden. Der Ambrosius Drawe bat Hieronymus bei der Gelegenheit, ihn als Priester der Kapelle einzusetzen und seinen vermutlich jüngeren Partner Valentin Krüger nach seinem Tode als Anwärter für diesen Altar vorzusehen.
Bischof Hieronymus, der im Geiste der besonderen Frömmigkeit dieser Zeit im gleichen Jahr auf dem Krähenberg bei Strausberg eine nächste Wallfahrtskapelle in seinem Bistum weiht, bestätigt am 1. Oktober („die vero dominica prima menis Octobris“) die Vorlage in allen Punkten und beziffert die jährlichen Einkünfte der Kapelle auf 17 rheinische Gulden, 9 Silbergroschen und 12 Wispel Weizen auf ein Stiftungskapital von 370 Gulden.
Eine weitere Urkunde des brandenburgischen Bischofs vor genau 500 Jahren (20. Dezember 1508) erneuert die von seinen Vorgängern erlassenen Statuten der Jüterboger Kalandbruderschaft, was er in diesem Jahr auch für die gleiche Bruderschaft in Treuenbrietzen tut. Diese Vereinigung der Geistlichen eines Ortes, die im 13. Jahrhundert entstanden waren und schließlich in allen Städten existierten, hatte ein gemeinsames Totengedenken wie auch die Pflege der Geselligkeit zum Ziel. Nachdem auch Laien der städtischen Oberschicht den Brüderschaften beitreten konnten, arteten die Treffen immer mehr zu Schwelgereien aus. Dies waren wie der Ablaßhandel oder das zügellose Leben des höheren Klerus alles zusammen Auslöser, weshalb die bald folgenden Reformation im Volk große Aufnahme gefunden hatte.
Am 21. März 1513, fünf Jahre nach den geschilderten Ereignissen, verspricht Bischof Hieronymus unter Berufung auf die päpstliche Bulle von 1500 nochmals 40 Tage Sündenvergebung, wenn Gläubige zu den oben genannten Tagen die Jerusalemkapelle aufsuchen. Doch wegen der bald folgenden gesellschaftlichen Umbrüche wird die Kapelle mit der Reformation geschlossen und dann abgerissen.